05. November 2021
Aktuell zeigt sich der internationale Ölmarkt äusserst volatil und vor allem äusserst nervös. Das zeigte sich vor allem gestern. Ab 8 Uhr morgens – nach einem nächtlichen Rückgang an der elektronischen Börse in NY – kletterte der Kurs unaufhaltsam bis gegen 14 Uhr um gewaltige ca. $26/Tonne beim Gasoil. Es folgte die genau gleiche Bewegung nach unten in den folgenden paar Stunden bis 20 Uhr. Das ist die eine Seite des Marktes – vor allem jene Seite aus börsentechnischer Sicht. Von dieser Warte aus gesehen ist ein zusätzlicher Rückgang nicht auszuschliessen.
Aber – wie bereits mehrmals an dieser Stelle erwähnt – koppelt sich aktuell der physische Ölmarkt bei uns in Europa mehr von dem sonst allmächtigen Taktgeber der Börse mehr und mehr ab. Schuld daran ist die physische Verfügbarkeit an Heizöl und Treibstoffen. Und alles hatte seinen Ursprung mit den zu Beginn des Herbstes zurückgefahrenen, russischen Gasexporten. Dieser Gas Engpass, welcher sich vor allem bei der Stromgewinnung massiv auswirkte, wurde durch Kohle kompensiert. Und als deren Halden ebenso zur Neige gingen, wurde auf Heizöl umgestellt. Die Nachfrage nahm massiv zu und blieb hoch. Und da in der Schweiz und in Deutschland ab 1.1.2022 die Steuern auf fossile Energie massiv erhöht werden, begannen die Grossanbieter ihre Heizöl- und Treibstofflager zu füllen. Dies wiederum absorbierte und absorbiert weiterhin beinahe die gesamten Transportkapazitäten auf allen Verfügbaren Transportkanälen auf dem Wasser und auf der Bahnschiene. Frachtraum und vor allem frei verfügbare Mengen an Heizöl und Treibstoffen für den freien Handel sind zum Mangelprodukt geworden – und werden es auch in den kommenden Wochen bleiben. Und dies wird bei anhaltend hoher Nachfrage die Preise hochhalten, selbst wenn die Börse auch allenfalls Schwäche zeigen könnte.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich eine ähnliche Situation wie während der «Ersten Ölkrise» von 1973 abspielen könnte, allerdings in abgeschwächter Form. Ich habe dieses Szenario (und Hintergrund) bereits im Bericht vom 7. Oktober erwähnt und es scheint sich wirklich mehr und abzuzeichnen. Grosser Unterschied zu damals: im Jahre 1973 gab es noch keine Ölbörsen!!! Da bestimmten noch effektiv das Spiel von Nachfrage und Angebot den Endpreis. Scheint so, als hole uns die (nicht immer) gute alte Zeit für ein paar kurze Momente, bzw. Wochen o. Monate wieder ein.
Börsendaten 5.11. 2021 um 06:30 Uhr
ICE-Gasoil NOV: $703.25 (-1.25$)
ICE-Brent JAN: $81.81 (-0.18$)